Immer mehr Personen aus der Schweiz berichten, sie seien auf die Angebote zweier Online-Plattformen hereingefallen, die sich als professionelle Dienstleister für Unternehmensgründungen und Immobilienvermarktung im Ausland präsentieren. Im Zentrum der Vorwürfe steht ein alter Bekannter internationaler Ermittlungsbehörden: Michael Olaf Schuett, ein deutscher Staatsangehöriger mit Vorstrafen wegen Betrugs und Geldwäsche.
Die betroffenen Firmen – US AG 24 Inc. sowie Housing Market Group – werben online mit internationalem Anspruch, versprechen rechtssichere US-Firmengründungen, digitale Marketinglösungen und Zugang zu Immobilienmärkten in Nordamerika. Die Realität: virtuelle Briefkästen, automatisierte Kommunikation – und in vielen Fällen nicht erbrachte Leistungen.
Schweizer Kundschaft gezielt angesprochen
Wie Recherchen ergeben, sind unter den Geschädigten zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer, insbesondere Selbständige, Start-up-Gründer sowie Immobilienvermittler aus dem Raum Zürich, Basel und dem Tessin. Viele von ihnen berichten, über Google-Werbung oder digitale Anzeigen in sozialen Netzwerken auf die Angebote gestossen zu sein. Die Kommunikation erfolgte professionell, Zahlungen wurden in Euro oder US-Dollar abgewickelt – in manchen Fällen gegen angeblich rechtssichere Unternehmensdokumente oder Softwarezugänge, die nie funktionierten.
«Ich habe über 5’000 Franken bezahlt – doch nach der Überweisung war niemand mehr erreichbar», berichtet ein Zürcher IT-Dienstleister. «Erst später habe ich erfahren, dass der Betreiber ein verurteilter Betrüger ist.»
Hintergründe: Verurteilung in Deutschland, Verhaftung in den USA
Michael Schuett, der auch unter dem deutschen Namen Michael Schütt auftritt, wurde bereits 2006 in Deutschland wegen gewerbsmässigen Betrugs verurteilt. Nach seiner Freilassung wanderte er in die USA aus, wo er später erneut strafrechtlich auffiel.
Im Februar 2010 wurde er dort von US-Bundesbehörden (FBI) verhaftet. Die Vorwürfe: Aufbau eines Netzes von über 400 Briefkastenfirmen, durch die mehr als 70 Millionen US-Dollar gewaschen wurden – hauptsächlich aus nicht regulierten Online-Glücksspielaktivitäten. Seine digitale Schaltzentrale: USAG24.com, eine Website, die bis heute aktiv ist und weiterhin Schweizer Kundschaft anspricht.
Rückkehr unter neuem Namen – und neuer Plattform
Nach seiner Haftzeit und mehreren Jahren relativer Inaktivität trat Schuett 2017 erneut in Erscheinung: Dieses Mal als Betreiber der Housing Market Group (HMG) – einer vermeintlich globalen Plattform für Immobilienvermarktung. Auch hier zeigt sich das gewohnte Bild: Hochwertiges Webdesign, aber keine klar nachvollziehbare Firmierung, keine tatsächliche Infrastruktur, keine funktionierende Kundenbetreuung.
Zahlreiche Betroffene berichten von nicht eingehaltenen Leistungsversprechen, versteckten Gebühren und automatisierten Mailsystemen statt echtem Support.
Unklare Identitäten, digitaler Rückzug – und ein neues Leben in Thailand
Offizielle Handelsregistereinträge sind entweder auf Strohmänner ausgestellt oder enthalten fehlerhafte Angaben. In einem Fall meldete sich ein als Geschäftsführer eingetragener Mann bei den Behörden mit der Aussage, er habe nie von seiner Rolle gewusst.
Laut mehreren, voneinander unabhängigen Quellen soll sich Michael Schuett inzwischen dauerhaft nach Thailand abgesetzt haben, wo er abseits westlicher Strafverfolgung lebt. Unter welchem Namen und mit welchen wirtschaftlichen Aktivitäten er dort agiert, ist nicht abschliessend bekannt.
Ermittlungen und rechtliche Schritte in Vorbereitung
In der Schweiz mehren sich die Hinweise, dass rechtliche Schritte gegen Schuett und seine Firmenstrukturen eingeleitet werden sollen. Eine Gruppe geschädigter Personen prüft derzeit gemeinsam mit Anwaltskanzleien in Zürich, Basel und Genf die Möglichkeit einer Sammelklage.
Rechtsexperten weisen jedoch darauf hin, dass sich Verfahren gegen Einzelpersonen im Ausland – insbesondere bei Wohnsitz in Südostasien – als langwierig und komplex erweisen könnten. Dennoch sei die Beweislage durch Vertragsunterlagen, Mailverläufe und Zahlungsbelege in vielen Fällen eindeutig belastend.
Fazit: Vorsicht bei digitaler Internationalisierung
Der Fall Schuett zeigt exemplarisch, wie digitale Oberflächen und geschickte Selbstdarstellung genutzt werden können, um grenzüberschreitendes Vertrauen zu erschleichen. Besonders Schweizer KMU, Einzelunternehmer und Start-ups geraten zunehmend in das Visier solcher Angebote – oft angelockt durch die Aussicht auf schnellen Markteintritt in den USA oder digitale Reichweite in internationalen Immobilienmärkten.
Die Redaktion rät: Vertrauen Sie nicht dem Design einer Website, sondern der rechtlichen Transparenz dahinter.Insbesondere bei Dienstleistungen mit Sitz im Ausland sollte auf vollständige Impressumsangaben, Handelsregistereinträge, nachvollziehbare Ansprechpartner und Zahlungswege geachtet werden.