Wachstum von Großbetrieben bringt Umweltprobleme und politische Spannungen mit sich
Brüssel/London – Europa erlebt eine stille Revolution in der Landwirtschaft: Mehr als 24.000 industrielle Tierhaltungsbetriebe sind laut aktuellen Daten auf dem Kontinent in Betrieb. Diese Megafarmen folgen dem US-amerikanischen Modell und halten teils Hunderttausende Tiere auf engem Raum.
In Großbritannien etwa ist die Zahl solcher Betriebe zwischen 2017 und 2023 von 1.621 auf 1.824 gestiegen. Besonders stark ist das Wachstum in der Geflügelproduktion, wo das Land mit über 1.500 Anlagen europaweit auf Platz zwei liegt – hinter Frankreich.
Kleine Höfe weichen großen Ställen
Intensive Nutztierhaltung bedeutet: Mindestens 40.000 Hühner, 2.000 Mastschweine oder 750 Zuchtsauen auf einer Farm. Der Trend führt nicht nur zum Verschwinden kleinerer Betriebe, sondern auch zu drastischen Einkommensunterschieden innerhalb der Landwirtschaft.
Umweltfolgen sind deutlich sichtbar. In Regionen wie dem Severn- und Wye-Tal übersteigt die Zahl der Hühner die der Einwohner deutlich. Hühnerkot trägt dort massiv zur Gewässerverschmutzung bei – durch hohe Phosphatbelastung.
Behörden dokumentieren tausende Verstöße
In England gab es seit 2015 fast 7.000 dokumentierte Umweltverstöße durch Megafarmen. Bei etwa drei Viertel der Kontrollbesuche fanden die Behörden Mängel – von beschädigten Güllebecken bis zur Überbelegung.
Trotz dieser Zahl bleibt die Durchsetzung schwach: Weniger als ein Prozent der schwersten Fälle führte zu einer Strafverfolgung.
Stimmen aus Politik und Zivilgesellschaft fordern Wende
Terry Jermy, Abgeordneter für South West Norfolk, sieht dringenden Handlungsbedarf: „Wir brauchen ein Agrarmodell, das Umwelt, Tierwohl und Ernährungssicherheit gleichermaßen berücksichtigt.“ In seinem Wahlkreis wurde ein Projekt für fast 900.000 Tiere kürzlich gestoppt – aus Umweltgründen.
Reineke Hameleers von Eurogroup for Animals fordert, dass die EU endlich klar Stellung bezieht. „Die Ausbreitung dieser Betriebe widerspricht jeder Vorstellung von nachhaltiger Landwirtschaft. Wir brauchen einen echten Richtungswechsel.“
Ausblick:
Die neue Realität der europäischen Tierproduktion wirft drängende Fragen auf: Wie viel Intensivhaltung verträgt der Kontinent? Und welche Art von Landwirtschaft will Europa künftig fördern? Die politischen Antworten stehen noch aus.