Südkoreas Präsident zieht Kriegsrechtserklärung nach heftigem Widerstand zurück

by Silke Mayr
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Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol hat am frühen Mittwoch seine Kriegsrechtsanordnung zurückgezogen. Nur Stunden zuvor hatte sein überraschender Erlass heftige politische Reaktionen und Proteste in der Hauptstadt ausgelöst.

Politischer Druck und Widerstand

Oppositionsführer bezeichneten die Maßnahme als verfassungswidrig und kündigten Widerstand an. Das Parlament verabschiedete eine Resolution, die Yoon aufforderte, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Fotos und Videos zeigten, wie Parlamentsmitarbeiter Feuerlöscher gegen bewaffnete Truppen einsetzten, die das Nationalparlament stürmen wollten.

Nach dem Beschluss des Parlaments drängte Yoons eigene Partei ihn dazu, die Anordnung aufzuheben. Gegen 4:30 Uhr Ortszeit genehmigte das Kabinett die Rücknahme des Kriegsrechts, berichtete die Nachrichtenagentur Yonhap.

“Demokratie ist die Grundlage der US-ROK-Allianz”, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses nach der Aufhebung des Kriegsrechts. Der Begriff ROK bezieht sich auf den offiziellen Namen Südkoreas, Republik Korea.

Ein beispielloser Schritt und internationale Reaktionen

Yoons Erklärung erfolgte, während seine Partei, die People Power Party, und die oppositionelle Demokratische Partei einen Budgetstreit führten. Nach einer Wahlniederlage im April, bei der die Opposition fast zwei Drittel der Sitze erlangte, geriet Yoon unter Druck.

In einer nächtlichen Ansprache begründete Yoon den Schritt mit dem Schutz des Landes vor “nordkoreanischen kommunistischen Kräften” und der Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung. Die USA, ein enger Verbündeter Südkoreas, zeigten sich besorgt. Der Nationale Sicherheitsrat erklärte, man sei nicht vorab informiert worden und beobachte die Entwicklungen genau.

Truppen, Panzer und bewaffnete Einheiten wurden in den Straßen Seouls gesichtet. Oppositionsführer Lee Jae-myung warnte, dies könne die Wirtschaft des Landes irreparabel schädigen, und rief die Bürger zum Protest auf.

Historische Parallelen und politische Folgen

Zum ersten Mal seit über 40 Jahren erklärte eine südkoreanische Regierung das Kriegsrecht. 1980 hatte der damalige Diktator Chun Doo-Hwan nach einem Militärputsch dasselbe getan. Seitdem entwickelte sich Südkorea zu einer führenden Demokratie und Wirtschaftsmacht in Asien.

Syd Seiler, Berater beim Center for Strategic and International Studies, bezeichnete Yoons Entscheidung als “Rückschritt in die Vergangenheit”. Gründe für den Schritt seien Yoons niedrige Popularität, ein “selbstbewusster und unkooperativer” Oppositionsblock und das Scheitern des Haushaltsplans.

Die Kritik an Yoon nahm zu, und die Oppositionsparteien forderten seinen Rücktritt oder ein Amtsenthebungsverfahren. Ein entsprechender Antrag soll innerhalb von 72 Stunden abgestimmt werden. Auch die größte Gewerkschaft Südkoreas kündigte Streiks und Demonstrationen an.

Die historische Erinnerung an das Kriegsrecht unter Chun Doo-Hwan verschärft die Ablehnung gegen Yoons Anordnung. Laut Seiler wolle die Opposition Yoons demokratische Legitimation dauerhaft beschädigen.

Südkorea ist ein zentraler militärischer und wirtschaftlicher Partner der USA in Asien. Seit dem Ende des Koreakriegs 1953 unterhält die USA dort eine große Truppenpräsenz. Experten halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass Yoons Entscheidung die US-Sicherheitsbeziehungen beeinträchtigen wird.

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