Die nördlichen Dolomiten in Italien sind derzeit von einer Häufung gefährlicher Felsstürze betroffen. Besonders rund um den Berg Cima Falkner in der Brenta-Gruppe mussten Hunderte Wanderer und Urlauber aus Sicherheitsgründen evakuiert und zahlreiche Wege gesperrt werden. Experten sehen einen klaren Zusammenhang mit dem beschleunigten Auftauen des Permafrosts infolge der globalen Erderwärmung.
In den letzten Tagen wurden mehrere Felsabbrüche gemeldet, unter anderem am Monte Pelmo in der Val di Zoldo. Augenzeugen hörten laute Gesteinsgeräusche, gefolgt von Staubwolken, als massive Gesteinsmassen ins Tal stürzten. Auch am Cima Falkner lösten sich Felsbrocken, die jedoch weiter oben am Hang zum Stillstand kamen. Verletzt wurde dabei niemand.
Sofortmaßnahmen: Sperrungen und Warnungen für Bergregionen
Die Behörden in der Region Trentino-Südtirol reagierten umgehend. Sie sperrten alle betroffenen Kletterrouten und Wanderwege in der Umgebung. In einer offiziellen Mitteilung hieß es, dass sowohl die West- als auch die Ostseite der Cima Falkner von Felsstürzen betroffen sei. Wanderer wurden evakuiert und dazu aufgefordert, sämtliche Anordnungen strikt zu befolgen, um Gefahren zu vermeiden.
Geologen untersuchten das Gebiet aus der Luft mit einem Helikopter. Ihr Fazit: Der gesamte Gipfel ist von einem aktiven geologischen Veränderungsprozess betroffen – mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgelöst durch das Auftauen des Permafrosts, der bislang als „Kitt“ zwischen den Felsformationen wirkte.
Alpenregion erlebt Anstieg an Naturgefahren
Felsstürze sind im Gebirge keine Seltenheit, doch in den vergangenen Monaten ist deren Zahl und Ausmaß drastisch gestiegen. Laut dem Präsidenten des wissenschaftlichen Beirats des italienischen Alpenvereins, Piero Carlesi, sei dieser Trend unbestreitbar auf den Klimawandel zurückzuführen. Während gefrorenes Wasser in Felsspalten früher stabilisierend wirkte, lockert die zunehmende Erwärmung die Gesteinsmassen – mit teils dramatischen Folgen.
„Berge sind grundsätzlich nicht ewig stabil. Doch aktuell beschleunigt sich ihre Erosion durch steigende Temperaturen und extreme Wetterlagen auf bedrohliche Weise“, so Carlesi.
Gletscherrückgang verschärft Instabilität
Zusätzlich zu den Felsstürzen macht der rasche Gletscherschwund den Experten Sorge. Der Marmolada-Gletscher, der größte der Dolomiten, könnte laut italienischen Umweltforschern bis 2040 vollständig verschwunden sein. Die Eisdicke schrumpft an heißen Tagen um bis zu 10 Zentimeter. Seit 1888 hat sich der Gletscher um über einen Kilometer zurückgezogen.
Tragische Folge: 2022 kamen bei einem plötzlichen Gletscherbruch elf Menschen ums Leben – ein eindrückliches Beispiel dafür, wie gefährlich die klimabedingte Instabilität bereits heute ist.
Alpenführer schlagen Alarm
Nicht nur in Italien, auch in anderen Teilen der Alpen verschärft sich die Lage. Ende Juni 2025 wurden am Mont Blanc ungewöhnlich hohe Temperaturen in Gipfelnähe gemessen, die den Permafrost zusätzlich destabilisieren.
Der französische Bergführer Bernard Vion, seit Jahrzehnten in den Alpen aktiv, berichtet von einem nie dagewesenen Ausmaß an Felsstürzen und gefährlichen Veränderungen. Inzwischen müssen viele Routen angepasst oder ganz gestrichen werden, um Gäste nicht zu gefährden. Besonders besorgt zeigt er sich über unerfahrene Bergtouristen, die die Risiken unterschätzen.
„Die Veränderung ist offensichtlich. Wer sie nicht sieht, will sie nicht sehen“, sagt Vion. Seine Forderung: mehr Aufklärung, mehr Beobachtung – und vor allem schnelles Handeln gegen den Klimawandel.