Mikroplastik in unserem Körper: Eine unterschätzte Gesundheitsbedrohung

by Eva Hoffmann
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Jahrhundertealte Bodenproben dokumentieren den Mikroplastik-Anstieg

In einem abgelegenen Feld in Hertfordshire bewahren Wissenschaftler eine einzigartige Sammlung auf. Seit 1843 sammeln sie Weizen, Stroh und Bodenproben. Dieses Archiv spiegelt 182 Jahre menschlichen Einfluss auf die Umwelt wider.

Andy Macdonald, der Verantwortliche für die Sammlung, entdeckte in Proben aus den 1940er-Jahren radioaktive Rückstände. Noch deutlicher zeigt sich der starke Anstieg von Mikroplastik seit den 1960er-Jahren.

Mikroplastik gelangt täglich in unseren Körper – überall und unbemerkt

Wir nehmen Mikroplastik über Nahrung, Getränke und die Atemluft auf. Forscher fanden Plastikpartikel in Blut, Speichel, Muttermilch und zahlreichen Organen – von Leber bis Knochen. Schätzungen zufolge verschlucken Menschen jährlich bis zu 52.000 Mikroplastikteilchen.

Eine Studie aus dem Jahr 2024 belegt eine sechsfache Zunahme der Aufnahme seit 1990, vor allem in den USA, China, dem Nahen Osten, Nordafrika und Skandinavien.

Erstmals: Menschen schlucken Mikroplastik im Laborversuch

Um die gesundheitlichen Folgen zu verstehen, führten Forschende Anfang 2025 in London einen ungewöhnlichen Versuch durch. Acht Freiwillige tranken Flüssigkeiten, die Mikroplastik enthielten. Die Studienleiterin Stephanie Wright erläutert, dass heiße Getränke wie Tee besonders viele Partikel freisetzen.

Die Forscher untersuchten daraufhin über zehn Stunden das Blut der Teilnehmer, um zu messen, wie viel Mikroplastik in den Kreislauf gelangt und welche Partikelgrößen besonders relevant sind.

Welche Schäden Mikroplastik im Körper anrichten könnte

Kleine Plastikpartikel gelangen ins Blut und lagern sich in Organen ab. Der menschliche Körper kann Plastik kaum abbauen, was chronische Entzündungen oder Organschäden fördern könnte.

2024 entdeckten chinesische Wissenschaftler Mikroplastik in Knochen- und Muskelgewebe nach Gelenkoperationen. Sie warnen, dass dies die Beweglichkeit beeinträchtigen kann. Italienische Forscher fanden Mikroplastik in Ablagerungen großer Halsarterien, die mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte einhergehen.

Im Februar 2025 zeigte eine Studie, dass Menschen mit Demenz bis zu zehnmal mehr Plastik im Gehirn haben als Gesunde. Der Wissenschaftler Matthew Campen vermutet, dass Plastikpartikel über Fettstoffe ins Gehirn gelangen.

Mikroplastik verschärft Krankheiten, verursacht sie aber nicht allein

Forscher betonen, dass Mikroplastik Krankheiten nicht direkt auslöst. Vielmehr verstärkt es andere Risikofaktoren und belastet langfristig den Körper. Fay Couceiro, Umweltwissenschaftlerin, beschreibt Mikroplastik als Belastung für die Zellen, die die Gesundheit schwächt.

Die Vielfalt der Plastikarten erschwert die Forschung. Ein Liter abgefülltes Wasser kann bis zu 240.000 unterschiedliche Plastikpartikel enthalten. Verena Pichler aus Wien erklärt, dass „Mikroplastik“ viele verschiedene Stoffe umfasst, die unterschiedlich wirken.

Gefahr durch Mikro- und Nanoplastik

Winzige Nanopartikel können Zellmembranen passieren und toxische Stoffe transportieren. Manche Mikroplastikarten fördern Antibiotikaresistenzen, wie Studien aus der Antarktis zeigen. Raffaele Marfella vermutet, dass Mikroplastik chronische Entzündungen verursacht und das Altern beschleunigt.

Verena Pichler sieht mögliche Verbindungen zwischen Mikroplastik und Krebs. Entzündungen, die Mikroplastik fördern könnte, begünstigen Tumorbildung.

Forschung stößt an Grenzen – neue Methoden sollen helfen

Stephanie Wright betont, dass man nicht jede Plastikart auf Krankheiten testen kann. Die Vielfalt ist zu groß. Raffaele Marfella arbeitet mit künstlichen Blutgefäßen, um Belastungsgrenzen zu bestimmen.

Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass chronische Mikroplastik-Mengen von 10 bis 100 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht Entzündungen und Stoffwechselstörungen auslösen können. Diese Daten stammen jedoch aus Tierversuchen.

Besonders gefährdet: Ältere und Kranke

Ältere Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen reagieren besonders empfindlich auf Mikroplastik. Studien zeigen, dass Plastikpartikel die Wirkung von Krebsmedikamenten beeinflussen können.

Fay Couceiro untersucht derzeit, ob Mikroplastik Asthmaanfälle verstärkt. Sie analysiert die Luftqualität in Wohnungen und Schleimproben von Betroffenen.

Forderung nach sicheren Plastikprodukten

Couceiro will Hersteller dazu bewegen, Plastikprodukte sicherer zu gestalten oder Alternativen zu entwickeln. Besonders gefährliche Kunststoffe oder Schadstoffe sollen reduziert werden.

Mikroplastik ist allgegenwärtig – auch in Innenräumen. Selbst im Schlaf nehmen Menschen Plastikpartikel auf. Die Forscherin fordert, die Verwendung bestimmter Kunststoffe zu reduzieren, vor allem in Kliniken.


Diese Forschungsergebnisse verdeutlichen: Mikroplastik stellt eine komplexe Bedrohung für unsere Gesundheit dar. Nur durch intensivere Forschung und gezielte Maßnahmen können wir die Risiken verringern.

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