Handelskonflikt zwischen Kanada und den USA spitzt sich weiter zu

Verpasste Frist ohne Durchbruch

by Eva Hoffmann
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Kanada und die USA haben ihre selbst gesetzte Frist für ein neues Handelsabkommen am Freitag verstreichen lassen. Trotz wochenlanger Gespräche steckt der Streit fest. Seit über sechs Monaten überziehen sich beide Länder mit Zöllen. US-Präsident Donald Trump und Kanadas Premierminister Mark Carney dämpften zuletzt Hoffnungen auf eine schnelle Lösung. Trumps jüngste Kritik an Kanadas Anerkennung Palästinas verhinderte jede Annäherung. Noch im Juni beim G7-Gipfel hatten beide Seiten ein Sommerabkommen angestrebt. Heute überwiegt die Ernüchterung.

Kanada will kein überstürztes Abkommen

Kanadische Unterhändler zeigen sich gelassen. Laut Fen Hampson, Professor für internationale Beziehungen an der Carleton University in Ottawa, setzt Kanada auf Qualität statt Tempo. Ein schlechter Deal komme nicht infrage, betonte auch Carney selbst. Doch der Druck wächst. Unternehmen brauchen Klarheit, Zölle belasten zentrale Industrien. Oppositionsführer Pierre Poilievre zeigte sich enttäuscht über das Ausbleiben eines Abkommens. Er forderte die Regierung auf, wirtschaftliche Kontrolle zurückzugewinnen. Kanada sieht sich derzeit einem effektiven Zollsatz von 35 Prozent gegenüber. Ausnahmen gelten nur für Produkte, die unter das alte Freihandelsabkommen fallen. Besonders Stahl, Aluminium und Fahrzeuge leiden unter der Situation.

Gespräche laufen weiter – mit gedämpfter Hoffnung

Dominic LeBlanc, zuständig für den Kanada-USA-Handel, sprach am Sonntag mit einem amerikanischen Fernsehsender. Er nannte die Gespräche bisher „konstruktiv und informativ“. Carney und Trump sollen demnächst erneut telefonieren. LeBlanc glaubt an ein mögliches Abkommen, das Zölle senkt und Investitionen stabilisiert. Die US-Regierung rechtfertigt ihre Maßnahmen mit mangelnder Kooperation bei Drogenbekämpfung – speziell bei Fentanyl. Kanada widerspricht: Nur rund ein Prozent des importierten Fentanyls komme aus Kanada. Ottawa verschärfte Grenzkontrollen und ernannte einen Sonderbeauftragten. Weitere Belastungen könnten folgen – darunter Zölle auf Kupfer oder das Ende zollfreier Onlinekäufe unter 800 Dollar.

Kanada kontert mit Milliarden an Gegenzöllen

Kanada reagierte entschlossen und verhängte Gegenzölle im Wert von 60 Milliarden kanadischen Dollar. Nur China zeigte bisher ähnliche Härte gegenüber Trump. Catherine Fortin-Lefaivre von der kanadischen Handelskammer erklärte, Unternehmen wünschten sich Planbarkeit – aber keine übereilte Einigung. Trotz der Zölle bleibt der wirtschaftliche Schaden geringer als vermutet. Dank des bestehenden Abkommens CUSMA bleiben fast 90 Prozent der Exporte zollfrei – sofern Unternehmen alle Formalitäten korrekt abwickeln. Dieses Abkommen, unter Trumps erster Amtszeit ausgehandelt, schützt Kanada aktuell stärker als viele andere Länder. Zum Vergleich: Die EU zahlt im Schnitt 15 Prozent, Indonesien 19 Prozent.

Wirtschaftliche Anpassung läuft auf Hochtouren

Kanada stärkte zusätzlich betroffene Branchen durch Förderprogramme. Die Regierung nahm 1,5 Milliarden kanadische Dollar mehr an Zolleinnahmen ein als im Vorjahr. Während sich die US-Konjunktur weiterhin robust zeigt, könnten Preissteigerungen bald Unmut auslösen. Professor Hampson glaubt: Der Druck werde zuerst in den USA spürbar. Fortin-Lefaivre erwartet besonders von kleinen Unternehmen politischen Widerstand. Viele kanadische Wähler geben Premierminister Carney weiterhin Rückendeckung. Umfragen bestätigen Zustimmung zu seinem Umgang mit dem Handelskonflikt. Martha Hall Findlay von der Universität Calgary sagt, Carney verbinde wirtschaftliches Augenmaß mit politischer Strategie.

Kanada erfüllt viele US-Forderungen

Trump verfolgt mit seinen Zöllen auch geopolitische Ziele – etwa höhere Rüstungsausgaben oder regulatorische Zugeständnisse. Ottawa hat reagiert. Es erhöhte sein Verteidigungsbudget, sicherte die Grenze zusätzlich ab und stoppte eine Digitalsteuer, die US-Technologiekonzerne belastet hätte. Fortin-Lefaivre meint, Kanada habe damit viele US-Forderungen erfüllt. Dennoch fordert Ottawa Entlastung bei Stahl- und Aluminiumzöllen. Diese treffen auch US-Autobauer. US-Finanzminister Scott Bessent deutete zuletzt Gesprächsbereitschaft an. Trump brachte unterdessen neue Streitthemen auf – etwa Kanadas geschützten Milchmarkt. Ottawa drohte mit weiteren Vergeltungsmaßnahmen, doch die politische Bereitschaft dazu sinkt.

Gespräche gehen weiter, doch Firmen handeln schon

Premier David Eby aus British Columbia zweifelt am Effekt der bisherigen Gegenzölle. Auch Professor Hampson warnt: „Die USA haben beim Eskalieren die Oberhand.“ Carneys Regierung wolle daher vorsichtig und strategisch agieren. Ob weitere Maßnahmen folgen, ließ sein Sprecher offen. Derzeit verhandeln kanadische Delegationen weiter intensiv in Washington. Doch eine Lösung bleibt vorerst in weiter Ferne.

Fortin-Lefaivre betonte, dass sich viele Unternehmen bereits auf längere Unsicherheit einstellen. Fast 40 Prozent der Exporteure suchen aktiv nach Lieferanten außerhalb der USA. 28 Prozent haben neue Absatzmärkte erschlossen. Zudem steht im kommenden Jahr die Neuverhandlung des CUSMA-Abkommens bevor – ein kritischer Moment für Kanadas Handelspolitik.

Kanada sucht neue Wege aus der Abhängigkeit

Die Regierung will die Handelsbeziehungen breiter aufstellen. Sie baut innere Handelsbarrieren ab und fördert große Infrastrukturprojekte. Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit den USA bleiben stark. Doch Kanada erkennt zunehmend, dass es unabhängiger werden muss. Trumps Druck zwingt das Land zur Neuorientierung. Martha Hall Findlay bringt es auf den Punkt: „Kanada muss wirtschaftlich eigenständiger werden – und diese Regierung hat das verstanden.“

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