Goldrausch im Schatten des Krieges: Wie Edelmetall Gewalt im Sahel befeuert

by Eva Hoffmann
0 comments

Goldpreise erreichen Rekordniveau – Konflikte geraten in den Hintergrund

Gold erlebt 2025 ein starkes Comeback. Globale Krisen und geopolitische Spannungen treiben den Preis in ungeahnte Höhen. Investoren stürzen sich auf das Edelmetall, das Stabilität verspricht. Zentralbanken, Hedgefonds und Kleinanleger kaufen gierig – doch kaum jemand fragt nach dem Ursprung des Goldes.

Im westafrikanischen Sahel ist Gold keine bloße Geldanlage. Für die Militärregierungen in Burkina Faso, Mali und Niger ist es überlebensnotwendig. Diese Staaten kämpfen mit islamistischen Aufständen, internationalen Sanktionen und den Folgen des Klimawandels. Die Regierungen hoffen, durch hohe Goldpreise schnelle Einnahmen zu erzielen, erklärte die Afrika-Analystin Beverly Ochieng vom Beratungsunternehmen Control Risks.

Der World Gold Council schätzt die jährliche Goldproduktion dieser drei Staaten auf rund 230 Tonnen – etwa 15 Milliarden US-Dollar zum aktuellen Kurs. Der tatsächliche Wert dürfte noch höher liegen, da Kleinminen oft nicht registriert sind. Gemeinsam übertreffen sie alle anderen Goldproduzenten Afrikas und sind globale Schwergewichte im Exportgeschäft.

Russische Partnerschaften stärken Autokraten – unter dem Deckmantel nationaler Interessen

Offiziell verkünden die Regierungen, der Goldhandel diene der nationalen Souveränität. Doch in Wirklichkeit übernehmen russische Konzerne zunehmend die Kontrolle. Westliche Firmen verlieren Anteile, während neue Machtverhältnisse entstehen. In Mali wurde im Juni mit dem Bau einer neuen Goldraffinerie begonnen – unter Beteiligung des russischen Yadran-Konzerns. Dieses Projekt soll 500 direkte und 2.000 indirekte Arbeitsplätze schaffen.

Burkina Faso errichtet ebenfalls seine erste Raffinerie. Die Regierung gründete ein staatliches Bergbauunternehmen und verpflichtet ausländische Firmen, 15 Prozent ihrer Aktivitäten an den Staat abzutreten. Wissenstransfer an die Bevölkerung ist Pflicht.

Begleitet wird das wirtschaftliche Projekt von digitaler Propaganda. Künstliche Intelligenz generierte Musikvideos loben den Militärführer Ibrahim Traoré als Helden des Volkes. Eine computergenerierte Version von Rihanna besingt „den Reichtum der Seelen im Staub der Goldminen“.

Hinter dieser Inszenierung verbirgt sich brutale Realität. Ochieng beschreibt den enormen finanziellen Druck, unter dem die Regierungen stehen. Um ihre Militäroperationen zu finanzieren, verkaufen sie Gold oder vergeben Schürfrechte – oft an russische Sicherheitsfirmen. In Mali übernehmen paramilitärische Einheiten wie „Africa Corps“ wichtige Aufgaben, obwohl ihre Präsenz offiziell abgestritten wird.

Ein Großteil des Staatshaushalts fließt in Verteidigung. In Mali stieg der Militäranteil am Budget seit 2010 auf 22 Prozent. Die Kämpfe richten sich gegen Gruppen, die mit dem Islamischen Staat oder al-Qaida verbunden sind. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch beschuldigen die Streitkräfte beider Länder, schwere Verbrechen an Zivilisten zu begehen – darunter Morde, Folter und Exekutionen.

Der illegale Goldmarkt nährt Terror – doch Minenarbeiter bleiben arm

Für ihre Dienste erhalten Söldner laut dem Analysten Alex Vines häufig Zahlungen in Gold oder Konzessionen. Der Reichtum bleibt in den Händen weniger. Selbst bewaffnete Gruppen profitieren inzwischen vom Goldgeschäft. Die Gewaltspirale verstärkt sich, denn drakonische Maßnahmen gegen vermeintliche Islamisten treiben neue Rekruten in den Untergrund.

Die Terrorgruppe JNIM (Jamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin) attackierte allein in den ersten Monaten 2025 mehrfach das burkinische Militär. Parallel dazu wächst die Bedeutung informeller Kleinminen, die abseits staatlicher Kontrolle arbeiten. Laut einem Bericht der UN-Drogen- und Kriminalitätsbehörde von 2023 liefern diese Minen den Großteil des Sahel-Goldes.

Rebellen und Regierungstruppen kämpfen um die Kontrolle über diese Goldquellen. Die Gewinne wandern oft in die Vereinigten Arabischen Emirate, einem globalen Zentrum für Goldverarbeitung. „Extremisten sichern sich bewusst Goldvorkommen, um ihre Kämpfe zu finanzieren“, sagte Vines.

Doch die einfachen Arbeiter in den Minen sehen von den Profiten nichts. Ein Schürfer aus Kidal erklärte anonym, er verdiene an guten Tagen umgerechnet 18 bis 36 Dollar – unabhängig vom Weltmarktpreis. „Die Preise steigen, aber das Geld landet bei den Besitzern“, sagte er. „Wir riskieren unser Leben. Für viele bleibt es die einzige Chance.“

„Blutgold“ im Schmuckhandel – ohne Spur und ohne Regeln

Vines, früher UN-Ermittler für Konfliktdiamanten, sieht Gold inzwischen als den neuen „Blutrohstoff“ Afrikas. Anders als bei Diamanten fehlt eine wirksame Kontrolle. Das 2003 eingeführte Kimberley-Abkommen stoppte weitgehend den internationalen Handel mit „Blutdiamanten“. Doch Gold entzieht sich dieser Regulierung.

Die London Bullion Market Association verlangt von Raffinerien die Einhaltung ethischer Richtlinien nach OECD-Vorgaben. Die Emirate haben 2021 eigene Standards eingeführt, doch diese sind freiwillig – und ihre Umsetzung bleibt unzuverlässig.

Ein technisches Problem erschwert zusätzlich die Nachverfolgung. „Man kann Diamanten rückverfolgen, bevor sie geschliffen werden“, erklärte Vines. „Aber bei Gold gibt es keine Möglichkeit, die Herkunft zu erkennen.“ Bereits in frühen Produktionsstufen wird das Metall eingeschmolzen. Spätere Prüftechniken existieren nicht.

Vines ist sicher: Auch britische Märkte verkaufen Gold, das aus Konfliktzonen stammt. „Es wird in den Emiraten verarbeitet, geht in Schmuck, Zahnprothesen oder Barren – und keiner erkennt mehr, woher es kommt.“

Ein weiteres Hindernis: Das Kimberley-System war auf bewaffnete Rebellengruppen zugeschnitten – nicht auf Regierungen. „Heute kontrollieren staatliche Akteure wie Militärjuntas den Rohstofffluss“, sagte Vines.

Solange der politische Wille fehlt und Profite über Ethik stehen, wird Gold aus Konfliktgebieten weiter ungehindert weltweit gehandelt – mit tödlichen Folgen für viele Menschen im Sahel.

You may also like