In diesem Sommer haben Landwirtinnen und Landwirte in der Romandie eine unerwartete und gefährliche Entdeckung gemacht: Ein erheblicher Teil ihrer Getreideernte ist mit Mutterkorn (Claviceps purpurea) befallen. Der Pilz produziert Alkaloide, die beim Menschen schwere Vergiftungen auslösen können – von Halluzinationen über Durchblutungsstörungen bis hin zu Nekrosen und tödlichem Ergotismus, einst unter dem Namen „Antoniusfeuer“ gefürchtet. Schon im Mittelalter kostete der Verzehr verseuchter Körner Tausende von Menschen das Leben, und noch 1951 löste der „Fall des verfluchten Brotes“ in Frankreich eine mysteriöse Vergiftungsserie aus.
Für die heutigen Bauern bedeuten wenige schwarze Mutterkornkörnchen pro Kilogramm Weizen bereits eine dramatische Wertminderung: Die betroffenen Partien werden nur noch als Futtergetreide gehandelt und bringen oft nur die Hälfte des üblichen Preises ein. Bei stärkerer Verunreinigung droht die komplette Vernichtung der Ernte — ein Totalverlust für die Erzeuger. In manchen Regionen wie Genf sind bis zu 15 % der Getreideproduktion betroffen. Die einzige bisher wirksame Gegenmaßnahme ist das aufwändige optische Sortieren: In wenigen Sammelzentren erkennen Kameras die dunklen Körner und blasen sie aus dem Getreidestrom. Dieser Prozess kann bis zu 99 % des Mutterkorns entfernen, zieht sich jedoch über mehrere Wochen hin und muss von den Bauern selbst bezahlt werden.
Prävention bleibt entscheidend
Da Fungizide gegen den Pilz wirkungslos sind, setzt der Schweizer Verband der Getreidesammelstellen auf vorbeugende Maßnahmen: Ein strenger Fruchtwechsel, tiefes Pflügen befallener Felder und gezielte Unkrautbekämpfung sollen das Risiko künftiger Mutterkornausbrüche verringern. Dennoch dürfte das Problem in den kommenden Jahren bestehen bleiben, da der Erreger warme, feuchte Frühjahre begünstigt. Für die Landwirtschaft in der Schweiz bedeutet dies, dass die Bewirtschaftung ihrer Äcker in Zukunft noch genauer geplant werden muss — im Kampf gegen einen Pilz, der seit Jahrhunderten Mensch und Tier gefährdet.