FDP vor Zerreißprobe: Warum der EU-Kurs zur Belastung wird

by Eva Hoffmann
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Früher Motor, heute zögerlich

Die FDP hat noch keine klare Haltung zum neuen EU-Vertrag. Das erstaunt, denn sie galt früher als treibende Kraft des bilateralen Wegs. Gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden setzte sie sich in den 1990er Jahren stark für eine enge Zusammenarbeit mit Brüssel ein. Heute wirkt die Partei europapolitisch gespalten und zunehmend skeptisch. Politikwissenschaftler Michael Hermann sieht Ursachen sowohl in der Schweizer Innenpolitik als auch in der Entwicklung der EU.

EU-Regeln stoßen bei Liberalen auf Widerstand

Der bilaterale Weg diente ursprünglich dem freien Marktzugang und einer Reduktion staatlicher Eingriffe. Inzwischen empfinden viele Freisinnige die EU als bürokratisch und regelwütig. Liberale Stimmen kritisieren den «Green Deal» oder das Lieferkettengesetz als übermäßige Einmischung in Märkte. Für wirtschaftsnahe Kreise geht das europäische Projekt in eine unerwünschte Richtung. Das einstige Reformversprechen weicht der Sorge vor Überregulierung.

Spaltung in Partei und Wirtschaftslager

Ein weiterer Bruch entstand 2014 mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative. Bis dahin war der bilaterale Weg weitgehend unbestritten. Das knappe Volks-Ja führte zu Verunsicherung, auch innerhalb der FDP. Für Michael Hermann war dieses Abstimmungsergebnis ein klarer Wendepunkt. Gleichzeitig formierten sich auch EU-kritische Unternehmer politisch. Die Gruppierung «Kompass Europa» brachte ihre Skepsis in die Öffentlichkeit und erzeugte Druck. In der Partei selbst erstarkt zudem der rechte Flügel, repräsentiert durch Thierry Burkart und Karin Keller-Sutter. Beide gelten nicht als leidenschaftliche Befürworter einer engen EU-Anbindung. Während Aussenminister Ignazio Cassis engagiert für den Vertrag wirbt, lehnen FDP-Politiker wie Christian Wasserfallen oder Filippo Leutenegger ihn klar ab.

Finale Entscheidung rückt näher

Michael Hermann erwartet dennoch, dass die FDP am Ende Ja zum Abkommen sagt. In der Bundeshaus-Fraktion überwiegt die Zustimmung deutlich. Viele Parteimitglieder wollen eine europapolitische Krise vermeiden. Von einem Scheitern würden vor allem die Gegner der EU wie die SVP profitieren. Am 18. Oktober liegt die Entscheidung bei der Parteibasis. Dann bestimmt die Delegiertenversammlung in Bern den künftigen Europa-Kurs der FDP.

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