Vom klassischen Trucking zur digitalen Vernetzung
Als Jared vor mehr als 20 Jahren seine Karriere im Trucking begann, ahnte er nichts von der digitalen Transformation. Heute begleitet er einen Country-Star und transportiert Gitarren sowie Bühnentechnik quer durch Nordamerika. „Es war reiner Zufall“, erzählt der Kanadier aus seinem riesigen Lkw. „Ich bin in sechs Wochen 5.000 Meilen gefahren, aber dieses Jahr gibt es viele Pausen.“
In den Ruhezeiten nutzt Jared Laptop, Tablet und zwei Smartphones, um neue Aufträge zu finden. Alles läuft digital – ein großer Unterschied zu seinen Anfangstagen mit Obst und Wein. „Früher saß man am Münztelefon, rief alte Kontakte an und hatte einen Pager.“ Heute genügt ein Klick auf den Bildschirm, um Aufträge zu erhalten und sofort bezahlt zu werden.
Plattformen verändern die Branche – aber nicht nur zum Vorteil der Fahrer
Digitale Plattformen wie Uber Freight bringen Fahrer und Firmen per Algorithmus zusammen – ähnlich wie Taxi-Apps. Jared sieht darin eine Erleichterung, beklagt aber sinkende Löhne. „Während der Pandemie bekam man noch drei Dollar pro Meile, heute nur noch 1,10 Dollar.“ Zudem steigen die Spritkosten deutlich.
In Kanada dominieren mittlerweile acht große Plattformen den digitalen Frachtmarkt. Der Markt ist zersplittert: Über 80 Prozent der Firmen beschäftigen weniger als fünf Mitarbeiter.
Gewerkschaften warnen vor „Uberisierung“ und Lohndruck
Christopher Monette von Teamsters Canada äußert ernste Bedenken. Die Gewerkschaft vertritt 130.000 Mitglieder, darunter viele Fahrer. „Die ‘Uberisierung’ gefährdet Löhne und Arbeitsbedingungen“, warnt er. „Löhne stagnieren seit 25 Jahren, und Gig-Arbeit verschärft die Lage.“ Besonders große, tarifgebundene Speditionen geraten unter Druck. „Wir brauchen keine weitere App, sondern höhere Löhne und besseren Schutz.“
Uber Freight spricht nicht direkt über Preise. Ein Sprecher betont stattdessen Flexibilität, Transparenz und die Nutzung von Echtzeitdaten sowie KI zur Unterstützung der Fahrer bei der Auftragswahl.
Digitale Pioniere aus Vancouver und Afrika zeigen neue Wege
Das kanadische Start-up Freightera zählt zu den führenden digitalen Dienstleistern. Gründer Eric Beckwitt erinnert sich: „2014 gab es keine Trucking-Apps in Kanada.“ Heute durchsucht Freightera binnen Sekunden 20 Milliarden Routen. Fahrer legen die Preise selbst fest, basierend auf ihren Bedürfnissen.
Vor der Digitalisierung glich die Auftragsuche einer „Nadel im Heuhaufen“. Heute wächst die Nachfrage stetig – trotz Pandemie, Inflation und Rezession. Freightera arbeitet an KI, die komplexe Buchungen schneller abwickelt und bürokratische Hürden reduziert. Beckwitt träumt von einer vollautomatisierten Logistik in 40 Jahren, gesteuert durch künstliche Intelligenz.
Auch Afrika setzt verstärkt auf digitale Lösungen. Die Plattform LORI managt seit 2016 20.000 Trucks digital, ohne eigene Fahrzeuge zu besitzen. „75 Prozent des Binnenverkehrs läuft auf der Straße“, sagt Mitgründer Jean-Claude Homawoo. Das Ziel: Leerfahrten reduzieren, Kosten senken und Effizienz steigern. Auf stark frequentierten Routen fielen bereits die Preise.
Digitalisierung als Schlüssel zur Nachhaltigkeit
Digitale Plattformen können die Emissionen im Trucking reduzieren. Der Transportsektor verursacht über die Hälfte aller CO₂-Emissionen im Handel. Beckwitt ist überzeugt: „Digitale Systeme sparen Energie und Kosten.“
Autonome Trucks – Zukunft oder Science-Fiction?
Im April fuhr in den USA erstmals ein autonomer Lkw auf der Autobahn, und in China testen Flotten bereits selbstfahrende Trucks. „Die Technik ist vorhanden“, erklärt Beckwitt. „Doch Vertrauen, Bürokratie und Regulierungen bremsen den Fortschritt.“
Für Fahrer wie Jared bleiben autonome Lkw vorerst Zukunftsmusik. „Transport gibt es seit Jahrhunderten. Selbstfahrende Trucks ersetzen Menschen nicht so schnell.“