Klimawandel verstärkt gefährliche Turbulenzen
Ein Passagier berichtete 2024 nach einem heftigen Turbulenzereignis bei Singapore Airlines: „Wir sahen Blut an der Decke … es herrschte völliges Chaos.“ Das Flugzeug durchquerte über Myanmar eine Zone mit extremen Luftbewegungen. Viele Passagiere lagen auf dem Boden. Auch eine Boeing 787 von United Airlines geriet über den Philippinen in schwere Turbulenzen. Eine Flugbegleiterin prallte gegen die Kabinendecke und verletzte sich schwer.
Diese Vorfälle häufen sich, weil der vom Menschen verursachte Klimawandel Turbulenzen verstärkt.
Klarluftturbulenzen nehmen dramatisch zu
Besonders problematisch sind sogenannte Klarluftturbulenzen, die mit bloßem Auge und technischen Hilfsmitteln unsichtbar bleiben. Seit 1979 stiegen sie um 55 Prozent, zeigt die Forschung von Paul Williams von der Universität Reading. Bis 2050 erwarten Experten eine Verdreifachung dieser Turbulenzen. Besonders betroffen sind Flugrouten über Ostasien und den Nordatlantik. Für viele Menschen kann das ihre Bereitschaft zum Fliegen mindern. Angst vor Kontrollverlust und schlechte Erfahrungen mit Turbulenzen gehören zu den häufigsten Flugängsten.
Turbulenzen belasten Flugzeuge und Umwelt
Turbulenzen verursachen auch Schäden an Flugzeugen. Piloten müssen oft ausweichen, was Flüge verlängert und den Kerosinverbrauch sowie Emissionen erhöht. Verletzungen bleiben meist aus, doch die steigende Unruhe in der Atmosphäre zwingt die Luftfahrtindustrie zum Handeln. Wissenschaftler, Ingenieure und Fluggesellschaften suchen deshalb nach technischen Lösungen.
Innovative Klappen sollen Turbulenzen mindern
Das Unternehmen Turbulence Solutions aus Österreich entwickelt kleine „Flaplets“, die an Flugzeugflügeln montiert werden. Diese Klappen verändern ihren Winkel automatisch, um Luftstromänderungen auszugleichen. Sensoren an der Flügelvorderkante liefern Echtzeitdaten. Die Klappen stabilisieren die Maschine, ähnlich wie Vögel ihre Federn anpassen. CEO Andras Galffy, selbst Kunstflieger, berichtet von einer Reduzierung der Turbulenzen um über 80 Prozent. Bisher testeten sie das System nur an kleinen Flugzeugen. Galffy glaubt aber an eine Übertragbarkeit auf große Jets. „Man muss Turbulenzen nicht akzeptieren. Ein passendes Gegensignal reicht,“ sagt er.
Künstliche Intelligenz entschlüsselt chaotische Luftbewegungen
Das Fliegen durch Luftwirbel ohne Erschütterungen erfordert präzise Technik. Luft verhält sich wie eine Flüssigkeit und reagiert chaotisch auf kleine Einflüsse. Das erschwert Vorhersagen. Hier hilft künstliche Intelligenz (KI). Sie erkennt Muster in komplexen Daten, sagt Forscher Ricardo Vinuesa vom KTH in Stockholm. In einem Experiment steuerte eine KI Luftströme an einem simulierten Flügel mithilfe von „synthetischen Düsen“. Die KI lernte durch Versuch und Irrtum, ähnlich einem Kleinkind beim Laufen. Vinuesa arbeitet mit Firmen zusammen, um die Technik weiterzuentwickeln.
Fortschritte bei Turbulenzvorhersagen und Sensoren
Vor 20 Jahren sagten Meteorologen rund 60 Prozent der Turbulenzen voraus, heute sind es etwa 75 Prozent, erklärt Paul Williams. Forscher von Caltech und Nvidia testeten letztes Jahr KI-Sensoren für Drohnen in einem Windkanal. Die NASA entwickelte ein Mikrofon, das Infraschall von Turbulenzen bis zu 480 Kilometer Entfernung misst.
Lidar-Technologie kartiert die Luft in 3D
Seit über einem Jahrzehnt erforschen Entwickler Lidar-Systeme, die eine dreidimensionale Karte der Luft erstellen. Ähnlich scannen autonome Autos ihre Umgebung. Eine Studie aus China schlägt ein „Dual-Wellenlängen“-Lidar vor, das Turbulenzen sieben bis zehn Kilometer vor dem Flugzeug erkennt. Wegen der dünnen Luft in großer Höhe sind die Geräte derzeit zu schwer und verbrauchen zu viel Energie für Passagiermaschinen.
Digitalisierung verändert die Luftfahrt
Die Kombination aus moderner Fertigung, KI und Sensorik könnte die Luftfahrt grundlegend verändern. Piloten nutzen heute Wetterbriefings, Jetstream-Karten und Flugplanungssoftware. Modelle wie das Graphical Turbulence Guidance helfen bei der Planung. Williams will die Vorhersagen weiter verbessern, scheitert aber am teuren Zugang zu Turbulenzdaten. Windmessungen oberhalb der Erdoberfläche bleiben rar. Sie stammen von Wetterballons und Sensoren an 100.000 Flügen täglich.
Echtzeit-Daten verbessern Sicherheit und Komfort
Die internationale Luftfahrtvereinigung IATA teilt anonymisierte Turbulenzdaten live mit Fluggesellschaften wie Air France und EasyJet. Für Passagiere gibt es Apps wie Turbli, die bisher Piloten vorbehaltene Daten zugänglich machen. Paul Williams nutzt Turbli und nennt die Informationen „relativ genau“. Er warnt aber, dass Apps keine exakten Flugrouten kennen und nicht immer verlässlich sind. Für Passagiere sei das manchmal wie das Googeln von Symptomen – hilfreich, aber nicht immer beruhigend.