Syrien ringt mit Neubeginn unter neuen Vorzeichen

by Jan Köhler
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Machtwechsel bringt Hoffnung – aber auch Zweifel

Vor acht Monaten beendete der Zusammenbruch der Assad-Herrschaft ein Jahrzehnt autoritärer Herrschaft. Viele Syrerinnen und Syrer hofften auf einen Aufbruch. Die Hauptstadt Damaskus fiel im Dezember ohne große Kämpfe. Danach übernahm die islamistische Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) die Kontrolle. Obwohl sie früher eng mit al-Kaida kooperierte, bestätigen aktuelle UN-Daten keine aktiven Verbindungen mehr. Ahmed al-Scharaa, Anführer von HTS, wurde Übergangspräsident.

Westliche Länder reagierten unterschiedlich. Die USA entfernten HTS von ihrer Terrorliste, während EU und UNO sie weiterhin als Terrororganisation einstufen. Scharaa versprach bei Staatsbesuchen Reformen. Dennoch bleibt die Macht weitgehend in den Händen weniger sunnitischer Männer mit militärischem Hintergrund.

Minderheiten unter Druck – Gewalt reißt nicht ab

Religiöse Minderheiten wie Alawiten, Christen und Drusen fürchten sich weiterhin. Angriffe auf diese Gruppen reißen nicht ab. Obwohl die Regierung versprochen hatte, Milizen zu entwaffnen, bleiben viele Einheiten eigenständig. Ein Terroranschlag auf eine Kirche in Damaskus, der über 20 Menschen tötete, zeigte die prekäre Lage. Eine Splittergruppe ehemaliger HTS-Kämpfer bekannte sich zur Tat.

Auch ein Massaker an über 1.500 Alawiten wurde bekannt. Beobachter sprechen von Vergeltung für vergangene Verfolgung durch das Assad-Regime. Die Übergangsregierung versucht, durch Abkommen mit kurdischen und drusischen Gruppen sowie Amnestien für ehemalige Assad-Offiziere Stabilität zu schaffen.

Wirtschaftskrise blockiert Fortschritt – Demokratie bleibt vage

Trotz gelockerter Sanktionen bleibt die wirtschaftliche Lage katastrophal. Laut Expertinnen wie Petra Ramsauer braucht Syrien dringend Wachstum, ohne dabei Justizreformen zu vernachlässigen. Die Sicherheitslage schwankt regional stark und wirkt sich unterschiedlich auf ethnische Gruppen aus. Amnesty International beschreibt die Lage weiterhin als „unberechenbar“.

Die unterzeichnete Übergangsverfassung sieht für die nächsten fünf Jahre Reformen vor. Doch das Wort „Demokratie“ fehlt bislang in offiziellen Aussagen. Unklar bleibt auch, wie eine künftige demokratische Struktur überhaupt aussehen soll. Syrien steht am Scheideweg – zwischen Stabilität und erneutem Chaos. Die Entwicklung der Region, insbesondere in Bezug auf Israel, Gaza und Iran, wird dabei eine zentrale Rolle spielen.

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