Mit dem Boom der Elektromobilität berichten immer mehr Menschen von starker Übelkeit beim Fahren in Elektroautos – vor allem als Mitfahrer. 2024 waren weltweit bereits 22 % aller neu zugelassenen Fahrzeuge elektrisch – gegenüber 18 % im Jahr zuvor. Parallel dazu häufen sich Berichte über Unwohlsein in E-Autos, besonders in sozialen Medien. Wissenschaftliche Studien bestätigen: Das Phänomen hat handfeste Ursachen.
Ungewohnte Bewegungsmuster überfordern das Gehirn
Laut dem französischen Forscher William Emond (Université de Technologie de Belfort-Montbéliard) liegt ein Hauptgrund in der fehlenden Erfahrung mit dem Bewegungsverhalten von Elektrofahrzeugen. Menschen haben ihr Leben lang vor allem Autos mit Verbrennungsmotor erlebt – mit deutlich hörbaren Geräuschen und spürbaren Vibrationen beim Beschleunigen oder Bremsen. Diese Reize helfen dem Gehirn, Bewegungen vorherzusehen und sich darauf einzustellen.
Elektroautos hingegen sind leise und laufen vibrationsarm – das Gehirn bekommt weniger Vorwarnungen, was zu einem sogenannten „sensorischen Konflikt“ führt: Die Informationen von Auge, Gleichgewichtsorgan und Körperwahrnehmung passen nicht zusammen. Hält dieser Zustand an, reagieren viele Menschen mit Übelkeit, Schwindel oder Erbrechen.
Zwei Hauptfaktoren: Lautlosigkeit und Rekuperation
Zwei typische Merkmale von E-Autos gelten als besonders problematisch:
- Keine Motorengeräusche: Studien zeigen, dass der fehlende Klang des Motors die Fähigkeit reduziert, Bewegungsänderungen vorherzusehen.
- Rekuperatives Bremsen: Beim Bremsen wird die Bewegungsenergie in Strom umgewandelt – das führt zu gleichmäßiger, langgezogener Verzögerung statt abruptem Bremsen. Laut einer Studie von 2024 ist gerade dieses „sanfte“ Bremsen ein starker Auslöser für Übelkeit.
Wenn das Gehirn Bewegungen nicht mehr korrekt einschätzt, entsteht ein „Mismatch“ – die klassische Ursache für Reisekrankheit. Besonders Mitfahrer sind betroffen, da sie die Bewegungen nicht aktiv steuern können.
Lösungsansätze für die Zukunft
Mit dem weiteren Ausbau der Elektromobilität – und vor allem mit autonomen Fahrzeugen – rückt das Thema stärker in den Fokus der Forschung. Erste Lösungsansätze sehen so aus:
- Visuelle Hinweise im Fahrzeug: Displays oder Lichtsignale könnten bevorstehende Bewegungen ankündigen.
- Vibrationsfeedback: Sanfte Impulse könnten helfen, das fehlende Gefühl für Bewegung zu ersetzen.
- Technische Eingriffe ins Fahrverhalten: Anpassung der Rekuperation oder künstlich erzeugte Motorgeräusche könnten das Reisegefühl verbessern.
Fazit: Der menschliche Körper braucht Zeit, sich auf die neue Art des Fahrens einzustellen. Mit wachsender Erfahrung und technischer Unterstützung könnte sich die Zahl der „elektrobedingten“ Reisekranken künftig wieder reduzieren.