Sollen Menschen mit Beistand politische Rechte erhalten?

by Silke Mayr
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Nationalrat diskutiert über neue Regelung
Der Nationalrat prüft, ob Menschen mit Beistand politische Rechte erhalten sollen. Bisher dürfen sie weder abstimmen noch wählen. In der zuständigen Kommission fand die Forderung eine knappe Mehrheit.

Laut Bundesverfassung haben alle Schweizerinnen und Schweizer politische Rechte, wenn sie über 18 Jahre alt sind. Eine Ausnahme gilt für Personen, die wegen “Geistesschwäche oder Geisteskrankheit” entmündigt sind. Dieser Ausdruck wirkt veraltet. Staatsrechtsprofessor Markus Schefer betont, dass diese Regelung nicht mit der UNO-Behindertenrechtskonvention vereinbar ist. Als Mitglied des UNO-Ausschusses für Behindertenrechte erklärt er, dass eine Behinderung keine Benachteiligung rechtfertigt.

Entmündigung als letztes Mittel
Rund 16.000 Menschen mit Beistand sind vom Wahlrecht ausgeschlossen. Auch Gegner der Änderung sehen den Verfassungsartikel kritisch. Sie fordern jedoch, dass Kantone Entmündigungen auf ein Minimum reduzieren.

Schefer widerspricht dieser Sichtweise. Die Notwendigkeit eines Beistands sage nichts darüber aus, ob jemand eine politische Meinung bilden kann. Entscheidend sei, ob eine Person selbstbestimmt handeln kann. Fabian Putzing von der Organisation Insieme Schweiz weist darauf hin, dass politische Rechte sonst an keine Bedingungen geknüpft sind. Niemand muss staatsbürgerliche Kenntnisse nachweisen, um wählen zu dürfen. Menschen mit Behinderung werden strenger beurteilt als andere.

Schutz vor Beeinflussung
Kritiker befürchten, dass Beistände die Betroffenen beeinflussen könnten. Laut Schefer geschieht Beeinflussung aber überall, etwa in Familien oder Altersheimen. Strafgesetze verbieten unzulässige Manipulationen. Falls die Motion angenommen wird, sollten Heimleitungen klare Anweisungen erhalten.

Mehrere europäische Länder haben das Wahlrecht bereits angepasst. Auch einige Schweizer Kantone haben Änderungen eingeführt. In Genf gilt das neue Gesetz seit 2020, in Appenzell Innerrhoden seit 2024. Auch Zug, Zürich und Neuenburg planen Änderungen.

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