Ein Wendepunkt für die deutsche Wirtschaft: Trumps Zölle verschärfen die Krise

by Silke Mayr
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Die wirtschaftliche Herausforderung vor der Wahl

Wenn die Deutschen am Sonntag wählen, steht die angeschlagene Wirtschaft im Mittelpunkt. Versprechen zur Belebung sind allgegenwärtig. Doch Donald Trumps drohende Importzölle erschweren diese Aufgabe für die neue Regierung erheblich.

Ein Scheitern wäre kostspielig.

Falls die Parteien der wahrscheinlichen Regierungskoalition das Wachstum nicht ankurbeln, droht ein Erfolg der AfD bei den nächsten Wahlen, warnte Carsten Brzeski, leitender Volkswirt der pan-europäischen Bank ING.

Die deutsche Wirtschaft, weltweit die drittgrößte, stagniert seit der Pandemie. Sie schrumpfte sowohl 2023 als auch 2024. Es war das erste Mal seit den frühen 2000er Jahren, dass zwei Jahre in Folge ein Rückgang verzeichnet wurde. Laut Internationalem Währungsfonds wird das Wachstum 2025 nur magere 0,3 % betragen.

Früher war die Lage besser.

Zwischen 2005 und 2019 florierte die exportorientierte Wirtschaft. Günstiges russisches Erdgas, ein importfreudiges China und ein weitgehend reibungsloser Welthandel befeuerten den Erfolg. Doch die globale Situation hat sich dramatisch verändert. Trumps Rückkehr ins Weiße Haus stellt die nächste große Herausforderung für Deutschlands Exportindustrie dar.

“Eine Welt, in der Freihandel nicht das dominante wirtschaftliche Prinzip ist, ist für Deutschland problematisch”, sagte Jacob Kirkegaard, ein Senior Fellow des Peterson Institute for International Economics.

Wirtschaftsreformen sind nicht nur ein Wählerwunsch. Um den Wohlstand der aktuellen und kommenden Generationen zu sichern, ist Wachstum essenziell. Besonders die steigende Zahl der Rentner macht dies notwendig.

“Eine unreformierte deutsche Wirtschaft ist eine stagnierende, alternde, verkrustete Wirtschaft”, so Kirkegaard.

Schrumpfende Exporte und steigende Kosten

Exporte waren stets ein Wachstumsmotor für Deutschland. 2023 machten sie über 43 % des Bruttoinlandsprodukts aus, der höchste Anteil unter den großen Volkswirtschaften laut Weltbank.

Motorfahrzeuge, Maschinen und chemische Produkte waren Deutschlands wichtigste Exportgüter. Doch die Abhängigkeit von ausländischer Nachfrage ist riskanter geworden. Chinas Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt. Gleichzeitig erobern chinesische Automarken wie BYD und Xpeng Marktanteile von westlichen Herstellern. Die sogenannte “EV-Revolution” verstärkt diesen Trend.

“Die deutsche Autoindustrie ist gewissermaßen Opfer ihres eigenen Erfolgs”, erklärte Kirkegaard. Marken wie BMW, Mercedes und Audi haben lange auf Verbrennungsmotoren gesetzt. Daher investierten sie zögerlich in Elektrofahrzeuge. Gleichzeitig konnten chinesische Hersteller und Tesla schneller in die Massenproduktion einsteigen.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Deutschlands energieintensive Industrie zahlt deutlich mehr für Erdgas als vor dem Ukraine-Krieg. Europa hat russisches Gas durch teurere Alternativen ersetzt. Dadurch haben viele Firmen ihre Produktion reduziert oder sogar geschlossen.

“Wir befinden uns mitten in einer Deindustrialisierung”, sagte Lars Kroemer, Chefökonom des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall.

Die deutsche Wirtschaft basiert stark auf hochspezialisierten Industriefirmen. Diese leiden nicht nur unter hohen Energiekosten, sondern auch unter hohen Steuern und strikten Regulierungen.

Zusätzlich hemmt die sogenannte “Schuldenbremse” dringend benötigte Investitionen. Wichtige Projekte, darunter der Ausbau der Infrastruktur und die Digitalisierung der Verwaltung, bleiben auf der Strecke.

“Wir haben die Digitalisierung noch nicht umgesetzt. Unsere Bürokratie ist schwerfälliger als in anderen Ländern”, erklärte Achim Wambach, Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Trumps Zölle: Eine neue Belastung

Trump droht seit Monaten mit neuen Importzöllen. Seit Januar hat er bereits einen 25%-Zoll auf Stahl- und Aluminiumimporte verhängt. Kürzlich ordnete er zudem eine Untersuchung an, ob “Reziprozitätszölle” eingeführt werden sollten. Diese würden die von anderen Ländern erhobenen Zölle auf amerikanische Produkte spiegeln.

Am Dienstag erklärte Trump, er plane 25%-Zölle auf importierte Autos, Halbleiter und Pharmazeutika. Falls Hersteller diese Zusatzkosten an US-Kunden weitergeben, würden deutsche Exporte weniger wettbewerbsfähig.

Das wäre besonders problematisch, da die USA Deutschlands wichtigster Exportmarkt sind und 10 % aller Exporte dorthin gehen.

Besonders hart würde es deutsche Autohersteller treffen. “Jeder weitere Rückschlag für die Automobilbranche ist eine schlechte Nachricht”, sagte Wambach.

Etwa 1,2 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland hängen direkt oder indirekt vom Export in die USA ab. Das sind 2,6 % aller deutschen Jobs, laut Prognos, einem Schweizer Forschungsinstitut.

Wie stark die deutsche Wirtschaft insgesamt betroffen sein wird, hängt von der endgültigen Höhe der Zölle ab.

Die Bundesbank hat ein Szenario untersucht, in dem Trump allgemeine 10%-Zölle sowie 60%-Zölle auf chinesische Importe einführt. Das Ergebnis: “Die deutsche Wirtschaft würde erheblich leiden”, so Bundesbank-Präsident Joachim Nagel.

Selbst ohne direkte Zölle auf deutsche Waren würde die Wirtschaft Folgen spüren. Trump hat bereits 25%-Zölle auf Waren aus Mexiko und Kanada eingeführt sowie eine zusätzliche 10%-Abgabe auf chinesische Produkte. Viele deutsche Autobauer, darunter Volkswagen, exportieren jedoch aus mexikanischen Werken in die USA.

“Die Weltwirtschaft ist wie ein Netzwerk. Wird irgendwo ein Hindernis geschaffen, spürt dies die gesamte Weltökonomie”, erklärte Michael Böhmer, Chefökonom von Prognos.

Mexiko, Kanada und China könnten ihre US-Exporte auf andere Märkte umleiten. Dort würden sie dann direkt mit deutschen Produkten konkurrieren.

Deutschlands Wirtschaftsmodell braucht dringend eine Neuausrichtung, betonten Experten. Falls sich Deutschland nicht in den nächsten zehn Jahren von “alten” Industrien wie Automobilbau, Maschinenbau und Stahlproduktion zu einer technologieorientierten Wirtschaft entwickelt, “wird es mit Sicherheit nicht mehr die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sein”, so Böhmer.

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