Meta ersetzt Faktenprüfer durch Community-Notizen: Ein Wendepunkt?

by Silke Mayr
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Ein umstrittenes Experiment
Meta hat beschlossen, auf Faktenprüfer zu verzichten und stattdessen ein System wie die Community-Notizen von X (ehemals Twitter) einzuführen. Die Frage bleibt: Wird das funktionieren?
Im Januar, während Brände Teile von Los Angeles verwüsteten, kursierten zahlreiche irreführende Beiträge auf sozialen Medien. Videos zeigten angebliche Plünderer, und falsche Informationen verbreiteten sich rasend schnell.

Die Flut von Fehlinformationen stellt erneut die drängende Frage: Wie können Plattformen die Verbreitung von Falschnachrichten effektiv eindämmen? Mark Zuckerberg, Metas CEO, hat sich nun dafür entschieden, Community-Notizen statt Experten einzusetzen. Nach den Kapitol-Riots 2021 hatte er vor dem Kongress noch stolz Metas „führendes Faktenprüfungsprogramm“ gelobt, das 80 unabhängige Prüfer umfasste. Doch mittlerweile hält er Faktenprüfer für voreingenommen und glaubt, sie hätten mehr Misstrauen als Vertrauen geschaffen, insbesondere in den USA.

Das neue System soll sich auf die Beiträge der Nutzer stützen, die selbst über die Genauigkeit von Inhalten urteilen. Viele Experten und Faktenprüfer kritisieren diese Entscheidung, einige sehen jedoch auch Potenzial in der Methode.

Das Prinzip der Community-Notizen
Das Konzept der Community-Notizen hat seinen Ursprung in „Birdwatch“, einem 2021 gestarteten Projekt, das sich an Wikipedia orientiert. Dort können Freiwillige irreführende Beiträge korrigieren, wobei andere Nutzer die Qualität der Notizen bewerten. Mit der Zeit können engagierte Nutzer selbst Beiträge hinzufügen. Laut X besteht diese Community inzwischen aus fast einer Million Teilnehmern, die täglich Hunderte von Faktenchecks durchführen.

Im Vergleich dazu schaffen die bisherigen Faktenprüfer von Facebook nur wenige Checks pro Tag. Studien zeigen, dass Community-Notizen oft präzise sind: Bei einer Analyse von 205 Notizen zu Covid-Themen erwiesen sich 98 % als korrekt. Ein weiterer Vorteil: Notizen können die Verbreitung irreführender Beiträge um mehr als die Hälfte reduzieren. Zudem löschen die ursprünglichen Verfasser häufig ihre Inhalte, wenn eine Notiz hinzugefügt wird.

Kritiker betonen jedoch, dass Community-Notizen keine Konsistenz und Expertise professioneller Faktenprüfer ersetzen können. Laut Baybars Orsek, Leiter von Logically Facts, fehlen diesen Systemen die Fähigkeiten, gefährlichste Fehlinformationen gezielt zu bekämpfen.

Vertrauen durch Algorithmen?
X versucht, durch einen „Bridging“-Algorithmus Vertrauen in die Community-Notizen zu schaffen. Dieser Algorithmus zeigt nur solche Notizen an, die von Nutzern mit unterschiedlichen Ansichten als hilfreich bewertet werden. Dadurch sollen politische Voreingenommenheiten vermieden werden. Studien stützen diese Herangehensweise teilweise, doch 90 % der vorgeschlagenen Notizen finden nie Anwendung, was bedeutet, dass potenziell wertvolle Korrekturen ungenutzt bleiben.

Meta plant ein ähnliches Verfahren, das ebenfalls Nutzer mit verschiedenen Perspektiven einbezieht. Ob das System von den Nutzern akzeptiert wird, bleibt jedoch abzuwarten.

Die Grenzen des Systems
Obwohl Meta weiterhin Moderatoren beschäftigt, die täglich Millionen von problematischen Inhalten entfernen, wird das Unternehmen bei politisch sensiblen Themen wie Gender oder Migration weniger strenge Regeln anwenden. Mark Zuckerberg räumt ein, dass dadurch mehr „schlechte Inhalte“ unentdeckt bleiben könnten. Experten sehen dies als besorgniserregend.

Die Details zu Metas neuem Ansatz bleiben spärlich. Viele Experten sehen in Community-Notizen ein sinnvolles Mittel gegen Fehlinformationen, betonen jedoch, dass sie die Arbeit professioneller Faktenprüfer nicht ersetzen sollten. Professor Tom Stafford von der Universität Sheffield betont: „Crowdsourcing kann ein hilfreicher Bestandteil eines Moderationssystems sein, sollte aber nicht das einzige Werkzeug sein.“

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