Dank des Klimawandels können englische Winzer inzwischen Trauben anbauen, die traditionell mit Champagner assoziiert werden. Sie produzieren hochwertige Schaumweine, die mit den Besten mithalten können.
Die Geschichte des Champagners und die englische Herausforderung
Seit über 300 Jahren ist Champagner der Inbegriff festlicher Getränke. Er wird bei Hochzeiten getrunken, von Rennfahrern versprüht und ist legendär durch Marilyn Monroe. Der erste Champagner wurde 1668 vom Mönch Dom Pérignon in der französischen Champagne hergestellt. Trotz Konkurrenz aus aller Welt blieb sein Ruf unübertroffen.
Doch nun gibt es eine neue Konkurrenz im Premium-Schaumweinmarkt: Südengland. Der Klimawandel hat das oft kühle und feuchte Klima Großbritanniens verändert. Heute ähnelt das Klima in Südengland dem der Champagne vor 50 Jahren.
„Durch die Klimaveränderungen können englische Winzer nun Trauben wie Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay anbauen,“ sagt Sam Linter, Leiterin der Weinproduktion am Plumpton Agricultural College. Diese Trauben eignen sich perfekt für die Herstellung hochwertiger Schaumweine.
Chris Boiling, Herausgeber des Magazins Canopy, ergänzt: „Eine neue Generation talentierter Winzer schafft Weine mit eigener Identität. Englischer Sekt hat prominente Fruchtnoten und elegante Röstaromen.“ Früher galten englische Schaumweine als Champagner-Imitate. Heute stehen sie selbstbewusst für Qualität.
Wandel in der Landwirtschaft und Erfolgsgeschichten
Vor 30 Jahren konzentrierte sich die Ausbildung in Plumpton auf Ackerbau und Viehzucht. Heute liegt der Fokus auf Weinbau. Land, das einst Schafen und Obstbäumen diente, ist nun mit Weinreben bepflanzt.
„Der Weinbau hat die traditionelle Landwirtschaft verändert,“ sagt Linter. „Er hat die Landschaft umgestaltet und neue wirtschaftliche Möglichkeiten geschaffen, auch im Tourismus.“
Ein Beispiel ist das Rathfinny-Weingut in Sussex. Es produziert jährlich bis zu 400.000 Flaschen und exportiert weltweit. Vor der Umstellung 2010 war es ein Bauernhof mit zwei Angestellten. Heute arbeiten dort 90 Mitarbeiter in Weinproduktion, Gastronomie und Beherbergung.
„Unsere sonnenverwöhnten Hänge schützen die Trauben vor Frost,“ erklärt Sarah Driver, Mitinhaberin des Weinguts. „Die Meeresbrise sorgt für saubere, schimmelfreie Trauben und gibt dem Wein eine leichte Salznote.“
Die Rolle der Kreideböden und Historie des Weinbaus
Die Kreideböden in Sussex bieten perfekte Bedingungen für den Weinbau. Sie speichern Wasser und versorgen die Reben ohne zusätzliche Bewässerung. Diese Böden ähneln denen der Champagne.
Die Region Sussex inspirierte auch Künstler und Schriftsteller. Eric Ravilious malte ihre sanften Hügel, während Virginia Woolf in Rodmell lebte. Früher wuchsen hier keine Weinreben, doch die Römer brachten sie vor 2.000 Jahren nach Großbritannien.
Viticulture blühte unter den Normannen, verschwand jedoch im Mittelalter. Erst in den 1970er Jahren begann die Wiedergeburt des englischen Weinbaus. Das Bolney Wine Estate war ein Vorreiter dieser Bewegung und ebnete den Weg für die heutige Industrie.
Heute gibt es fast 1.000 Weinberge in England und Wales, 500 davon allein in Sussex. Namen wie Bolney, Ridgeview, Nyetimber und Rathfinny stehen für erstklassige Schaumweine. Diese Weine gewinnen regelmäßig internationale Auszeichnungen und überzeugen sogar in Blindverkostungen gegen Champagner.
„Französische Champagnerproduzenten wie Pommery und Taittinger kaufen bereits Land in Südengland,“ sagt Boiling. Auch Unternehmen aus Südafrika, Kalifornien und Spanien sehen das Potenzial englischer Weinberge.
Ein Glas Sussex statt Champagner?
Englische Schaumweine kosten zwischen 20 und 40 Pfund pro Flasche. Sie erlangen zunehmend Bekanntheit unter Schaumweinliebhabern weltweit. „Unsere Weine werden nun als gleichbleibend hochwertig anerkannt,“ sagt Sarah Driver. „Wir hoffen, dass eines Tages Menschen mit einem Glas Sussex statt Champagner anstoßen.“